Einziehung: Einerseits als Kommunikationsmittel – aber auch zur Speicherung von Daten spielen insbesondere Smartphones eine alltägliche Rolle. Gleichzeitig sind elektronische Geräte meist teuer und darauf befindliche private Fotografien, Videos oder auch Sprachnachrichten können unersetzbaren Erinnerungswert haben. Daher ist es für Strafverfolgte oft besonders ärgerlich, wenn ihre Mobiltelefone, Tablets oder Computer zunächst zu Beweiszwecken beschlagnahmt und später eingezogen werden sollen.
Die Strafverfolgungsbehörden berufen sich dabei auf folgende Vorschrift:
§ 74 StGB – Einziehung von Tatprodukten, Tatmitteln und Tatobjekten bei Tätern und Teilnehmern
„Gegenstände, die durch eine vorsätzliche Tat hervorgebracht (Tatprodukte) oder zu ihrer Begehung oder Vorbereitung gebraucht worden oder bestimmt gewesen sind (Tatmittel), können eingezogen werden.“
Wenn etwa in Verfahren wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz (§§ 29 ff. BtMG) Geschäfte, über Chats oder Telefongespräche verabredet wurden, stellen die verwendeten Geräte ein Tatmittel dar. In Verfahren wegen Besitzes kinderpornographischer (§ 184b Abs. 3 StGB) oder jugendpornographischer Inhalte (§ 184c Abs. 3 StGB) ist jedes Speichermedium ein Tatmittel, auf dem sich ein strafbarer Inhalt befindet. Dabei genügt grundsätzlich schon eine einzige Datei auf dem betroffenen Gerät.
Ermessensspielraum
Zugleich ist die Einziehung in solchen Fällen aber – anders als vielfach durch Gerichte gehandhabt und wohl irrtümlich als richtig angenommen – eben kein Automatismus. Denn in der Vorschrift des § 74 Abs. 1 StGB heißt es lediglich, dass entsprechende Gegenstände eingezogen werden „können“ – womit den Gerichten ein Ermessensspielraum eröffnet ist.
Und da dies so ist, muss eine gerichtliche Entscheidung zur Einziehung die Ausübung dieses Ermessens auf der Grundlage von festgestellten Tatsachen auch erkennen lassen (BGH Beschluss vom 09.11.2020 – 4 StR 169/20). Zudem hat der Bundesgerichtshof (1. Strafsenat, Beschluss vom 03.07.2018 – 1 StR 264/18) festgehalten: „Zur Einziehung als Tatmittel reicht die nur gelegentliche Benutzung eines Gegenstandes im Zusammenhang mit der Tat nicht aus. Erforderlich ist darüber hinaus, dass sein Gebrauch gezielt die Verwirklichung des deliktischen Vorhabens fördert bzw. nach der Planung des Täters fördern soll.“ Konkret war dort ein Telefon wohl im Zusammenhang einer Beschaffungsfahrt mitgeführt und auch zur Kommunikation mit mutmaßlich Tatbeteiligten eingesetzt worden, ohne dass sich aber konkrete Gesprächsinhalte sicher feststellen ließen.
Hervorzuheben – und durch den Verteidiger einzufordern – ist in jedem Falle die notwendige richterliche Ermessensausübung und die Berücksichtigung des gesetzlich normierten Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit:
§ 74f StGB Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
„(1) 1 Ist die Einziehung nicht vorgeschrieben, so darf sie in den Fällen der §§ 74 und 74a nicht angeordnet werden, wenn sie zur begangenen Tat und zum Vorwurf, der den von der Einziehung Betroffenen trifft, außer Verhältnis stünde. 2 In den Fällen der §§ 74 bis 74b und 74d ordnet das Gericht an, dass die Einziehung vorbehalten bleibt, wenn ihr Zweck auch durch eine weniger einschneidende Maßnahme erreicht werden kann. 3In Betracht kommt insbesondere die Anweisung,
- die Gegenstände unbrauchbar zu machen,
- an den Gegenständen bestimmte Einrichtungen oder Kennzeichen zu beseitigen oder die Gegenstände sonst zu ändern oder
- über die Gegenstände in bestimmter Weise zu verfügen.“
Zur Frage der Prüfung der Verhältnismäßigkeit hat der Bundesgerichtshof (Beschluss vom 11.10.2016 – 4 StR 192/16) ausgeführt, dass stets, wenn eine Rückgabe der Geräte bzw. Speichermedien mit den betreffenden Bilddateien nicht in Betracht komme, das Tatgericht prüfen müsse, welche Dateien auf den Geräten die entsprechenden Aufnahmen enthalten und ob deren Löschung technisch in einer Weise möglich ist, die ihre Wiederherstellung dauerhaft verhindert. Stünde damit ein milderes, im Vergleich zur sonst gebotenen Einziehung gleichermaßen geeignetes Mittel zur Verfügung, ist letztere vorzubehalten und eine entsprechende Anordnung zu treffen.“
Dass hier ein ganz erheblicher Prüfungs- und Begründungsaufwand für das Gericht verborgen liegen kann, sollte im Falle eines Verzichts auf die Rückgabe von entsprechenden Gegenständen deutlich in Erinnerung gerufen werden.
Für Fragen stehen Ihnen die Strafverteidiger Jens Janssen, Dr. Jan-Carl Janssen und Jan-Georg Wennekers gerne zur Verfügung.