Schätzung im Steuerstrafrecht: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 22.09.2022 – 1 StR 271/22
In dieser Woche verweisen wir auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs aus dem Bereich des Steuerstrafrechts. Auf Revision des Angeklagten wurde das Urteil des Landgerichts Stade teilweise aufgehoben. Verfahrensgegenstand war die Hinterziehung von Ertragssteuer zugunsten der K.-GmbH. Angeklagt waren Eheleute, die für die GmbH überhaupt keine Bücher führten. Zur Schätzung des Steuerschadens blieb allein die Auswertung der Geschäftskonten, um zumindest die Betreibeinnahmen und -ausgaben ermitteln zu können.
Der Bundesgerichtshof hat festgestellt:
„Es kann offenbleiben, ob eine solche Einnahmeüberschussrechnung (§ 4 Abs. 3 EStG) anstelle des an sich nach § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1, § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG gebotenen Betriebsvermögensvergleichs als letzte Möglichkeit tragfähige Grundlage einer Schätzung in solchen Fällen einer vollständig fehlenden Buchhaltung sein kann. Denn mit dem Generalbundesanwalt ist indes letzten Endes – insbesondere wegen der Krise der Gesellschaft – ohnehin nicht auszuschließen, dass die vom Landgericht angesetzten Ausgaben in Höhe der Abbuchungen vom Betriebskonto trotz eines Sicherheitszuschlags von 10 % und des Abzugs eines fiktiven Geschäftsführerlohns für den Angeklagten tatsächlich nicht sämtliche relevanten Verbindlichkeiten der GmbH erfassen. Denn nicht bediente Verbindlichkeiten sind gerade nicht einem Bankkonto zu entnehmen. Das Landgericht hätte sich daher mit den Erkenntnissen zur drohenden bzw. eingetretenen Zahlungsunfähigkeit auseinandersetzen müssen, ob etwa ignorierten Rechnungen oder Mahnungen oder gescheiterten Vollstreckungsversuchen weitere Betriebsschulden zu entnehmen waren.“
Die Entscheidung zeigt, dass Schätzungen im Steuerstrafrecht auf einer tragfähigen Grundlage beruhen müssen.
Für Fragen stehen Ihnen die Strafverteidiger Jens Janssen, Dr. Jan-Carl Janssen und Jan-Georg Wennekers gerne zur Verfügung.