In keinem Rechtsgebiet sind die Strafvorschriften in den vergangenen Jahren derart oft geändert und verschärft worden, wie im Sexualstrafrecht. Daher ist bei Vorwürfen länger zurückliegender Vergewaltigung, sexuellen Missbrauchs oder Kinderpornographie stets darauf zu achten, dass das zum Tatzeitpunkt geltende Recht angewendet wird. Rechtsvorschriften können nicht nachträglich verschärft werden, es gilt das strafrechtliche Rückwirkungsverbot aus Artikel 103 Abs. 2 des Grundgesetzes.

Auch hinsichtlich der Verjährung ist dies zu beachten. Hier hat der Bundesgerichtshof nun mit Beschluss vom 24.11.2020 – 5 StR 348/20 noch einmal klargestellt, dass „die Erstreckung der Ruhensvorschrift des § 78b Abs. 1 Nr. 1 StGB auf Taten nach § 174 StGB… erst mit Wirkung ab dem 1. April 2004 eingetreten“ ist. Die Verjährung ruht dort also nur dann bis zum dreißigsten Lebensjahr der Geschädigten, soweit Taten sich nach dem 01. April 1999 ereignet haben sollen.

 

Aus den Gründen:

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Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit schwerem sexuellen Missbrauch eines Kindes und sexuellem Missbrauch einer Schutzbefohlenen, wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexuellem Missbraucheiner Schutzbefohlenen in zwei Fällen, wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexuellen Missbrauch einer Schutzbefohlenen in vier Fällen und wegen sexuellen Missbrauchs einer Schutzbefohlenen in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt; wegen einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung hat es zwei Monate der Strafe als vollstreckt erklärt. Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat im Umfang der Entscheidungsformel Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO unbegründet.

1. In den Fällen II.1 und II.2 der Urteilsgründe kann, wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat, die Verurteilung wegen tateinheitlich begangenen sexuellen Missbrauchs einer Schutzbefohlenen (§ 174 Abs. 1 StGB in der bis zum 31. März 2004 geltenden Fassung vom 13. November 1998) keinen Bestand haben, weil insoweit das Verfahrenshindernis der Verfolgungsverjährung eingetreten ist. Zu Gunsten des Angeklagten kann nicht ausgeschlossen werden, dass er beide Taten vor dem 1. April 1999 begangen hat. Angesichts der Strafandrohung des § 174 Abs. 1 StGB aF, die von Geldstrafe bis zu Freiheitsstrafe von fünf Jahren reichte, betrug die Verjährungsfrist fünf Jahre (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB). Da die Erstreckung der Ruhensvorschrift des § 78b Abs. 1 Nr. 1 StGB auf Taten nach § 174 StGB erst mit Wirkung ab dem 1. April 2004 eingetreten ist, sind diese sexuellen Missbrauchshandlungen verjährt.

Der Eintritt der Verjährung begründet hinsichtlich des betreffenden Tatvorwurfs ein von Amts wegen zu beachtendes Verfolgungshindernis. Dies führt in den Fällen II.1 und II.2 zum Wegfall des jeweils tateinheitlich mit sexuellen Missbrauch eines Kindes erfüllten Tatbestands des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen (vgl. BGH, Urteil vom 12. Dezember 2013 3StR 531/12, NJW 2014, 1025 Rn.7). Insoweit hat der Senat den Schuldspruch geändert.

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Die Entscheidung ist im Volltext hier abrufbar.

 

Für Fragen im Bereich des Sexualstrafrechts stehen Ihnen die Strafverteidiger Jens JanssenJan-Georg Wennekers und Dr. Jan-Carl Janssen gerne zur Verfügung.