Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz hat mit Urteil vom 19.11.2021, Aktenzeichen 2 Sa 40/21, entschieden, dass eine heimliche Tonbandaufnahme nicht per se eine außerordentliche Kündigung rechtfertigt.
Sachverhalt
Der seit 17 Jahren bei der beklagten Drogeriemarktkette beschäftigte Kassierer hatte ein Gespräch mit seinem Vorgesetzten mit seinem Handy aufgenommen. Der Vorgesetzte hatte hiervon keine Kenntnis. Die Arbeitgeberin kündigte den Kassierer außerordentlich, hilfsweise ordentlich. Die heimliche Aufnahme sei ein besonders wichtiger Grund im Sinne des § 626 BGB.
Der Kläger hatte vorgetragen, dass der Vorgesetzte ihm gegenüber zuvor unsachgemäße, diskriminierende und ehrverletzende Äußerungen getätigt habe. Er habe sich nicht anders zu helfen gewusst, als das Gespräch aufzuzeichnen.
Entscheidung
Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz hat dem Kläger sowohl im Hinblick auf die fristlose als auch auf die hilfsweise ordentliche Kündigung Recht gegeben.
Die heimliche Tonbandaufnahme stellt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zwar einen wichtigen Grund „an sich“ im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB dar. Die vorzunehmende umfassende Interessenabwägung kommt jedoch zu dem Schluss, dass das Interesse des Klägers am Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses das Interesse der Beklagten an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses überwiegt. Der Vorgesetzte hat zuvor mit seinen beleidigenden bzw. diskriminierenden Äußerungen das Persönlichkeitsrecht des Klägers verletzt. Er hat mit der vom Kläger als Drohung empfundenen Äußerung, er würde den Spieß umdrehen, wenn dieser etwas sagen würde und man würde ihm doch sowieso nicht glauben, die erst danach erfolgte Gesprächsaufzeichnung veranlasst. Der Kläger befand sich in einer nachvollziehbar als ausweglos angesehenen Situation, die ihn veranlasste das Gespräch heimlich aufzuzeichnen. Der Kläger hat sich zumindest über die Pflichtwidrigkeit seines Tuns geirrt. Dieser vermeidbare Verbotsirrtum lässt die Pflichtverletzung in einem deutlich milderen Licht erscheinen. Zudem ist die störungsfreie langjährige Betriebszugehörigkeit des Klägers zu berücksichtigen.
Die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung ist nach der vorzunehmenden Interessenabwägung ebenfalls nicht gerechtfertigt.
Praxishinweis
Die Entscheidung ist zu begrüßen und kann Arbeitnehmer aufatmen lassen, die sich durch das Verhalten von Vorgesetzten in die Ecke gedrängt fühlen.
Die Entscheidung zeigt, dass jeder Fall gesondert geprüft werden muss. Es lohnt sich also, bei einer Kündigung Rechtsrat einzuholen und den Klageweg nicht zu scheuen.