Im Rahmen der Strafzumessung ist der Wirkstoffgehalt von Betäubungsmitteln als Strafzumessungsfaktor relevant. Kann dieser nicht durch ein Wirkstoffgutachten bestimmt werden, kann die Rechtsprechung unter Beachtung besonderer Voraussetzungen den Wirkstoffgehalt schätzen. Dabei darf nicht einfach auf eine „durchschnittliche Qualität“ abgestellt werden, wie der Bundesgerichtshof nun erneut mit BGH , Beschluss vom 16.1.2024 – 5 StR 506/23 (LG Bremen) klargestellt hat.
Wirkstoffgehalt als Strafzumessungsfaktor / Schätzung des Werts des Erlangten
BtMG § 29a I Nr. 2; StGB §§ 73 I, 73c S. 1, 73d II
„1. Der Wirkstoffgehalt des gehandelten Rauschgifts ist für die Bestimmung des Unrechts- und Schuldgehalts einer Straftat nach § 29a I Nr. 2 BtMG rechtlich belangvoll. Stehen die tatgegenständlichen BtM für eine Untersuchung nicht zur Verfügung, ist die Wirkstoffmenge oder der Wirkstoffgehalt ggf. durch eine zahlenmäßige Schätzung unter Berücksichtigung des Zweifelssatzes festzustellen. Eine Umschreibung in allgemeiner Form (hier: „durchschnittliche Qualität“) reicht hingegen nicht aus.
2. Eine Schätzung nach § 73d II StGB kommt nur in Betracht, wenn die Werte, die für §§ 73 bis 73d StGB maßgebend sind, nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden können oder ihre Ermittlung einen unverhältnismäßigen Aufwand an Zeit oder Kosten erfordert.
3. Auch bei einer Schätzung hat sich das Tatgericht auf Grund des gesamten Ergebnisses der Beweisaufnahme eine Überzeugung von der Richtigkeit oder Unrichtigkeit der maßgeblichen Umstände zu bilden, um die Festsetzung eines der Wirklichkeit nahekommenden Schätzwertes zu ermöglichen. Die Grundlagen, auf welche sich die Schätzung stützt, müssen festgestellt und erwiesen sein sowie im Urteil mitgeteilt werden. Dabei ist für die Ermittlung der Tatsachengrundlagen der Schätzung – nicht dagegen für die Schätzung selbst – der Zweifelssatz anzuwenden. (Ls d. Schriftltg.)“
BGH , Beschl. v. 16.1.2024 – 5 StR 506/23 (LG Bremen) (vgl. NStZ-RR 2024, 383, beck-online)
Gründe:
„Das Landgericht Bremen verurteilte den Angeklagten M. und den Mitangeklagten I. wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Einfuhr von Betäubungsmitteln in sechs Fällen zu Gesamtfreiheitsstrafen von fünf bzw. vier Jahren. Der Schuldspruch wurde teilweise aufgehoben, da das Landgericht den Wirkstoffgehalt der Betäubungsmittel nicht hinreichend festgestellt hatte.
Nach den Feststellungen erwarben die Angeklagten Cannabis in Spanien und veräußerten es in Deutschland. Der Angeklagte M. unterstützte zudem den Aufbau einer Indoorplantage. Das Landgericht versäumte es, den konkreten Wirkstoffgehalt der gehandelten Betäubungsmittel festzustellen, was für die Strafzumessung entscheidend ist. Die Einziehung des Wertes der Taterträge wurde ebenfalls beanstandet, da die Schätzung der Verkaufserlöse nicht den rechtlichen Anforderungen entsprach. Die Feststellungen zur Mitverfügungsgewalt des Angeklagten über die Erlöse waren unzureichend. Die Aufhebung der Einzelstrafen und der Einziehungsentscheidung erstreckt sich auch auf den Mitangeklagten I.“
(BeckRS 2024, 913, beck-online)
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