– Darknet-Bestellung / Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) –
Wir weisen auf den Beschluss des Bundesgerichts vom 27.10.2020 (Aktenzeichen 1 StR 350/20) hin, der die Bestellung von Betäubungsmitteln im Darknet betrifft. Der Bundesgerichtshof hat in seinem Beschluss festgestellt, dass das Urteil des Landgerichts Traunstein rechtsfehlerhaft war, soweit der Angeklagte wegen Anstiftung zur Einfuhr von Betäubungsmitteln aus den Niederlanden verurteilt wurde.
Der Tenor der Entscheidung lautet:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Traunstein vom Landgericht Traunstein 26. Mai 2020, soweit es ihn betrifft,
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte im Fall III.7. der Urteilsgründe wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln verurteilt ist; die tateinheitliche Verurteilung wegen Anstiftung zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln entfällt;
b) im Ausspruch über die in den Fällen III.3. und III.7. der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen sowie über die Gesamtstrafe aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Aus den Gründen:
(…)
Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen bestellte der Angeklagte (unter anderem) zu einem nicht mehr exakt feststellbaren Zeitpunkt vor dem 5. Februar 2018 – vermutlich über das Darknet – 146,9 Gramm Amphetamin mit einem Wirkstoffgehalt von 12,8% (Wirkstoffmenge 18,8 Gramm Amphetaminbase), um dieses gewinnbringend weiterzuverkaufen. Die Briefsendung wurde mangels ausreichender Frankierung nicht an der Wohnadresse des Angeklagten ausgeliefert, sondern an die auf der Sendung angegebene Anschrift eines „fingierten“ Absenders zurückgesandt und dort sichergestellt (Fall III.3. der Urteilsgründe, Ziffer II.1.d des Tenors).
4Weiter bestellte der Angeklagte – wiederum vermutlich über das Darknet – in den Niederlanden 150 Ecstasy-Tabletten „Donkey Kong“ (insgesamt 70,93 Gramm) mit einem Wirkstoffgehalt von 23,5%, also einer Gesamtwirkstoffmenge von 16,66 Gramm MDMA-Base, um diese gewinnbringend zu verkaufen. Die Sendung wurde aufgrund eines Postbeschlagnahmebeschlusses angehalten, die Betäubungsmittel wurden sichergestellt (Fall III.7. der Urteilsgründe, Ziffer II.1.e des Tenors).
II.
51. Die auf die Sachrüge veranlasste sachlich-rechtliche Überprüfung des Urteils führt zur Änderung des Schuldspruchs im Fall III.7. der Urteilsgründe (Ziffer II.1.e des Tenors), weil dieser hinsichtlich der als tateinheitlich begangen ausgeurteilten Anstiftung zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln nicht von rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen getragen ist. Das kognitive Element des Vorsatzes des Angeklagten ist weder festgestellt noch belegt.
6a) Als Anstifter strafbar macht sich gemäß § 26 StGB derjenige, der einen anderen vorsätzlich zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat bestimmt hat. Vorsatz des Anstifters setzt dabei voraus, dass der Anstifter die vorsätzliche Begehung der Haupttat durch den Haupttäter und das Hervorrufen des Tatentschlusses des Haupttäters durch ihn selbst (sog. doppelter Anstiftervorsatz; st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 22. August 2017 – BGH Aktenzeichen 2 StR 362/16 mwN; Fischer, StGB, 67. Aufl., § 26 Rn. 7) zumindest für möglich hält (kognitives Element) und billigend in Kauf nimmt (voluntatives Element; st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 11. Februar 2020 – BGH Aktenzeichen 1 StR 119/19 Rn. Randnummer 9; Fischer, aaO, § 15 Rn. 3, 11 ff. mwN).
7 Die vom Landgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen zwar die Annahme, dass die Betäubungsmittel im Fall III.7. der Urteilsgründe vom Angeklagten bestellt und daher auf seine Veranlassung aus den Niederlanden ins Bundesgebiet versandt wurden; sowohl die Haupttat der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln als auch die diesbezügliche Anstiftungshandlung des Angeklagten sind damit ohne Rechtsfehler festgestellt. Dagegen fehlen tragfähig belegte Feststellungen dazu, dass der Angeklagte durch seine Bestellung wissentlich beim Haupttäter den Tatentschluss zur Einfuhr der bestellten Betäubungsmittel ins Bundesgebiet hervorgerufen hat. Denn es bleibt offen, ob der Angeklagte für möglich hielt oder sogar erkannt hat, dass er durch seine Bestellung einen Versand oder eine Verbringung der Betäubungsmittel aus dem Ausland in das Bundesgebiet veranlassen würde. Insbesondere ist nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen nicht ausgeschlossen, dass der Angeklagte aufgrund der Umstände des nicht näher aufgeklärten Bestellvorgangs davon ausging, dass es sich beim Verkäufer und Versender der Betäubungsmittel um eine Person handelt, die bereits im Inland über die bestellten Betäubungsmittel verfügt; konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte im vorliegenden Fall für möglich hielt, dass die bestellten Betäubungsmittel aus dem Ausland in das Bundesgebiet verbracht werden würden, ergeben sich aus den getroffenen Feststellungen nicht. Mit Blick auf das Fehlen von tragfähigen Feststellungen zum Vorliegen des kognitiven Elements des erforderlichen Anstiftervorsatzes kommt es auf die vom Landgericht bejahte Frage, ob das voluntative Element des Vorsatzes im Sinne eines zumindest billigenden Inkaufnehmens der Einfuhr der bestellten Betäubungsmittel aus dem Ausland beim Angeklagten vorlag, nicht mehr an.
8b) Der Senat kann ausschließen, dass hinsichtlich des konkreten Bestellvorgangs und des sich daraus ergebenden Vorstellungsbildes des Angeklagten weitere Feststellungen getroffen werden können, und ändert daher den Schuldspruch entsprechend § 354 Absatz 1 StPO selbst ab.
(…).
Der vollständige Beschluss des Bundesgerichtshofs kann hier abgerufen werden.
Fragen, die sich in Verfahren wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) häufig stellen:
Wann liegt eine geringe Menge von Betäubungsmittel zum Eigengebrauch im Sinne des § 31a BtMG vor?
Was kostet Kokain, Marihuana, Haschisch, Crystal Meth, LSD, Ecstasy oder Heroin?
Für Rückfragen stehen die Strafverteidiger Jens Janssen, Jan-Georg Wennekers und Dr. Jan-Carl Janssen, Anwaltsbüro im Hegarhaus, Freiburg zur Verfügung.