Wir verweisen auf den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 1.6.2021 (6 StR 119/21) aus dem Bereich der Korruptonsdelikte zur Bestechung gem. § 334 StGB. Der Bundesgerichtshof hat festgestellt:
„Das Anbieten oder Gewähren von Vorteilen für künftige Diensthandlungen an einen Amtsträger, der sich für ein anderes Amt bei demselben Dienstherrn bewirbt, kann dem Anwendungsbereich der Bestechungsdelikte unterfallen, wenn dem Vorteilsnehmer im Zeitpunkt der Tathandlung bereits allgemein aufgrund seiner Stellung ein weitreichender Aufgabenkreis zugewiesen ist.“
Aus den Gründen:
I.
„Nach den Feststellungen hatte die Sc. GmbH (im Folgenden: „Sc. GmbH“), deren Geschäftsführer und Mitgesellschafter der Angeklagte war, 2011 ein Grundstück in R. („N. R. “) an ein Tochterunternehmen der S. & P. G. (S&P) verkauft. Bedingung für die Kaufpreiszahlung des in zwei Bauabschnitte aufgeteilten Grundstücks war jeweils die Erteilung einer bestandskräftigen Baugenehmigung für die durch die S&P beabsichtigte Errichtung von Einzelhandelsflächen (3.000 qm im ersten und 1.500 qm im zweiten Bauabschnitt). In einem durch die Stadt R. für dieses Gebiet am 28. November 2013 erlassenen Bebauungsplan waren für den ersten Bauabschnitt maximal 3.000 qm Einzelhandelsfläche vorgesehen, für den zweiten Bauabschnitt wurden derartige Flächen ausgeschlossen. Der Angeklagte und die S&P hielten dennoch an ihrem Vorhaben fest.
Am 28. Januar 2014 wandte sich der Angeklagte im Hinblick auf die erstrebte Änderung des Bebauungsplans in einer E-Mail an den Geschäftsführer eines Tochterunternehmens der S&P, den anderweitig Verfolgten Ri. , und erkundigte sich nach dem Sachstand. Anlass hierfür war die bevorstehende bayerische Kommunalwahl 2014, weshalb er „das fertig geänderte Konzept den Herrschaften OB-Kandidaten nochmal mit ins Gepäck geben“ wollte. Abschließend forderte der Angeklagte Ri. auf, mit dem anderweitig Verfolgten H. , einem Mitglied der Gesamtgeschäftsführung der S&P, abzuklären, „ob für beide
Kandidaten eine kleine Spende für ihren Wahlkampf gemacht werden könnte“. Jedenfalls stillschweigend kamen der Angeklagte und Ri. im Anschluss überein, durch eine Spende auf den auf Seiten der SPD für das Amt des Oberbürgermeisters kandidierenden Mitangeklagten W. einzuwirken, um ihn zu einer für sie günstigen Einflussnahme auf die beabsichtigte Änderung des Bebauungsplans zu veranlassen.
Vor der Stichwahl wandte sich der Angeklagte am 19. März 2014 in einer zweiten E-Mail folgenden Inhalts erneut an Ri. : „Wie heute Morgen besprochen hier die Kontonummer für ihre Spende von 5.000,00 Euro an die SPD R.. Ich habe mit Herrn W. gesprochen und er bedankt sich herzlich im Voraus.“ Ri. leitete diese E-Mail mit dem Zusatz „Würden sie das bitte veranlassen. Ich habe die Spende zugesagt, damit der 2. BA und die Bücherei kommen“ an H. weiter, wobei nach Ansicht des Landgerichts „BA“ Bauabschnitt bedeutete. Am Folgetag wurden von der Tochtergesellschaft der S&P 5.000 Euro an den SPD-Ortsverein R. überwiesen, über den W. seinen Wahlkampf organisierte.
W. war von 2008 bis 2014 dritter Bürgermeister der Stadt R. und als solcher Sozialreferent. Außerdem war er einer der Vertreter des Oberbürgermeisters und in dieser Funktion „circa fünfmal im Jahr“ tätig. Den vertretungsweisen Vorsitz im städtischen Planungsausschuss, der für die Erteilung von Baugenehmigungen und die Bauleitplanung zuständig war, nahm er in diesem Zeitraum dreimal wahr. Nachdem W. bei der Kommunalwahl am 16. März 2014 18 Stimmen zur absoluten Mehrheit gefehlt hatten, setzte er sich bei der Stichwahl am 30. März 2014 „deutlich“ gegen seinen Mitbewerber durch. Sein Amt als Oberbürgermeister der Stadt R. trat er am 1. Mai 2014 an.
Dem Angeklagten kam es mit seiner Spendenaufforderung darauf an, W. bei dessen Ermessensausübung betreffend die Änderung des Bebauungsplans zu beeinflussen. Er wusste, dass W. dritter Bürgermeister war, und ging sicher davon aus, dass dieser die Stichwahl gewinnen würde. W. wusste nicht, dass es sich um eine Einflussspende handelte.
II.
Das Urteil hält sachlich-rechtlicher Überprüfung stand. Die auf einer sorgfältigen Beweiswürdigung beruhenden Feststellungen tragen den Schuldspruch. Der näheren Erläuterung bedarf lediglich die Frage, inwieweit ein Amtsträger für eine künftige Diensthandlung, für die der Vorteil gewährt werden soll, zuständig sein muss.
1. Allerdings finden die Korruptionstatbestände nicht schon deswegen Anwendung, weil W. nach der Vorstellung des Angeklagten die Stichwahl mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit gewinnen würde und die Änderung des Bebauungsplans vor Amtsantritt des neuen Oberbürgermeisters am 1. Mai 2014 bei lebensnaher Betrachtung nicht zu erwarten war (vgl. dazu BGH, Urteil vom 28. Oktober 2004 – 3 StR 301/03, BGHSt 49, 275, 291).
2. Die durch den Angeklagten veranlasste Spendenzahlung der S&P hat das Landgericht aber im Ergebnis zutreffend als Gegenleistung für eine pflichtwidrige Diensthandlung W. gewertet.
a) Während sich Vorteilsannahme und -gewährung auf die Dienstausübung, d.h. Handlungen, durch die der Amtsträger im öffentlichen Dienst die ihm übertragenen Aufgaben wahrnimmt, mithin die Diensthandlungen im Allgemeinen, beziehen (vgl. BGH, Urteile vom 16. März 1999 – 5 StR 470/98, NStZ 1999, 561; vom 18. November 2020 – 2 StR 317/19; LK-StGB/Sowada, 12. Aufl., § 331 Rn. 52; MüKo-StGB/Korte, 3. Aufl., § 331 Rn. 106), ist Gegenstand der Bestechung und Bestechlichkeit ein konkretes Verhalten im Rahmen der Dienstausübung (vgl. BGH, Urteil vom 18. November 2020 – 2 StR 317/19). Dienstausübung und Diensthandlung unterscheiden sich demnach lediglich durch den Grad ihrer Konkretisierung.
Eine Diensthandlung liegt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs jedenfalls vor, wenn das Handeln zu den dienstlichen Obliegenheiten des Amtsträgers gehört und von ihm in dieser Eigenschaft wahrgenommen wird (vgl. BGH, Urteile vom 10. März 1983 – 4 StR 375/82, BGHSt 31, 264, 280; vom 22. März 2018 – 5 StR 566/17, BGHSt 63, 107, 110; Beschluss vom 7. April 2020 – 6 StR 52/20, BGHSt 64, 301, 303). Nicht erfasst sind demgegenüber Privathandlungen (vgl. BGH, Urteile vom 2. Juli 1980 – 3 StR 201/80; BGHSt 29, 300, 302; vom 13. Juni 2001 – 3 StR 131/01, BGHR StGB § 332 Abs. 1 Satz 1 Dienst-
handlung 3; LK-StGB/Sowada, aaO, § 332 Rn. 6), gleichfalls nicht die Annahme von Vorteilen, die nur „im Zusammenhang mit dem Amt“, also nicht in einem Beziehungsverhältnis zur Dienstausübung stehen (vgl. BGH, Urteile vom 14. Oktober 2008 – 1 StR 260/08, BGHSt 53, 6, 15; vom 18. November 2020 – 2 StR 317/19).
Ob und unter welchen Voraussetzungen die Bestechungsdelikte auch die künftige Dienstausübung im Hinblick auf ein zum Zeitpunkt der Tathandlung noch nicht ausgeübtes Amt erfassen, hat der Bundesgerichtshof bislang ausdrücklich offengelassen (vgl. BGH, Urteil vom 28. Oktober 2004 – 3 StR 301/03, aaO, S. 284). Er hat es allerdings als tatbestandsmäßig im Sinne von § 331 StGB erachtet, wenn ein Amtsträger für den Fall seiner Wiederwahl Wahlkampfspenden annimmt (vgl. BGH, Urteile vom 28. Oktober 2004 – 3 StR 301/03, aaO; vom 28. August 2007 – 3 StR 212/07, NJW 2007, 3446, 3447 f.). Denn die Lauterkeit des öffentlichen Dienstes und das Vertrauen der Allgemeinheit in diese würden durch das Sichversprechenlassen von Vorteilen für eine künftige Dienstausübung unabhängig davon beeinträchtigt, ob die Amtsträgerstellung und damit die Möglichkeit der Dienstausübung erst durch eine erfolgreiche Wiederwahl zu erreichen seien (vgl. BGH, Urteil vom 28. Oktober 2004 – 3 StR 301/03).
b) Über Konstellationen der Kontinuität des ausgeübten Amtes hinaus kann nach Auffassung des Senats auch das Anbieten oder Gewähren von Spenden an einen Amtsträger, der sich für ein anderes Amt bei demselben Dienstherrn bewirbt, dem Anwendungsbereich der Bestechungsdelikte unterfallen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn dem Vorteilsnehmer im Zeitpunkt der Tathandlung bereits allgemein auf Grund seiner Stellung ein weitreichender Aufgabenkreis zugewiesen ist.
(…)“
Der Bundesgerichtshof hat die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Regensburg vom 17. Juni 2020 verworfen.
Die Entscheidung ist im Volltext hier abrufbar.
Für Rückfragen stehen die Strafverteidiger Jens Janssen, Jan-Georg Wennekers und Dr. Jan-Carl Janssen, Anwaltsbüro im Hegarhaus, Freiburg zur Verfügung.