Die Auslieferung zur Strafvollstreckung nach Serbien ist unzulässig, wenn eine Verurteilung auf einem durch Folter erpressten Geständnis beruht.

 

Oberlandesgericht Karlsruhe, Beschluss vom 22. April 2021 – Ausl 301 AR 124/20

 

Die von Rechtsanwalt Dr. Jan-Carl Janssen erstrittene Entscheidung leistet einen Beitrag zum Schutz der durch die Europäische Menschenrechtskonvention garantierten Grund- und Menschenrechte.

Serbien zählt zu den Beitrittskandidaten der Europäischen Union, der Beitrittsantrag wurde 2009 eingereicht. Seit 2012 hat Serbien den Status eines Bewerberlandes. Die Beitrittsverhandlungen mit dem Europäischen Rat haben 2014 begonnen. Schon im Bericht der Europäischen Kommission[1] zum Stand der Beitragsverhandlungen vom 6.1.2020 sind Kritikpunkte im Hinblick auf die Rechtstaatlichkeit in Serbien aufgeführt. Kritisiert wird unter anderem die Nichtbearbeitung von Verfassungsverbeschwerden bei gerügten Menschenrechtsverletzungen – ein Angriffspunkt, der letztlich auch im vorliegenden Fall zur derzeitigen Unzulässigkeit der Auslieferung des Verfolgten nach Serbien zum Zwecke der Strafvollstreckung aufgrund des Auslieferungsersuchens des Justizministeriums der Republik Serbien vom 25. August 2020 geführt hat.

Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat die sofortige Freilassung des Verfolgten nach sieben Monaten Untersuchungshaft angeordnet. Gerügt wurden ferner – unter Verweis auf die Berichte des sog. Antifolterkomitees[2] des Europarats – die Haftbedingungen in Serbien, wobei es hierauf letztlich nicht mehr ankam, da bereits die gerügten Foltervorwürfe zu durchgreifenden rechtlichen Bedenken des Oberlandesgerichts Karlsruhe führten.

Das Antifolterkomitee stellte fest und forderte zugleich die entsprechende Anerkennung durch die serbischen Behörden, dass Misshandlungen durch die Polizei gängige Praxis sind, die gerade nicht nur einige skrupellose Polizeibeamte betrifft.[3] Eine derartige Praxis wurde vom Verfolgten im hiesigen Verfahren gerügt, entsprechende Berichte und eine Verfassungsbeschwerde, die seit 2018 am Serbischen Verfassungsgericht anhängig ist und nicht bearbeitet wird, wurden auch dank der Mitwirkung eines serbischen Kollegen vorgelegt.

Die Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe hatte bereits am 6.10.2020 beantragt, die Auslieferung des Verfolgten nach Serbien für zulässig zu erklären. Das Justizministerium Serbien hat am 9.12.2020 zwar ausführliche Informationen zu den vom Verfolgten bei seiner Auslieferung zu erwartenden Haftbedingungen im Gefängnis Pozarevac – Zabela, in welchen die Vollstreckung vorgesehen sei, abgegeben, ist dabei jedoch nicht auf die erhobenen Foltervorwürfe eingegangen. Die Entscheidung des Serbischen Verfassungsgerichts über die vom Verfolgten eingelegte Verfassungsbeschwerde steht noch aus.

Bei Auslieferungen nach Serbien zum Zwecke der Strafvollstreckung ist eine generelle Prüfungspflicht der Haftbedingungen und der durch die Europäische Menschenrechtskonvention garantierten Rechte durch die Staatsanwaltschaft zu fordern.

 

[1] European Commission, Commission Staff Working Document Serbian 2020 Report – 6.10.2020, SWD(2020) 352 final, S. 18 ff.

[2] Council of Europe, Bericht des Antifolterkomitees aufgrund des CPT/Inf (2018) 21.

[3] Vgl. https://www.coe.int/de/web/portal/-/serbian-authorities-must-recognize-the-existence-of-accepted-practice-of-ill-treatment-by-police-investigate-and-punish-it-says-the-council-of-europe- (Abruf am 21.5.2021).

 

Für Rückfragen stehen die Strafverteidiger Jens JanssenJan-Georg Wennekers und Dr. Jan-Carl Janssen, Anwaltsbüro im Hegarhaus, Freiburg zur Verfügung.