Entscheidung des BGH, Beschluss vom 18.4.2024 – Aktenzeichen V ZB 51/23

 

Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Vater ist Eigentümer eines Grundstücks/einer Immobilie, die er durch notariell beurkundete Vereinbarung schenkweise je zur Hälfte auf seine beiden minderjährigen Kinder übertragen hat. Zugunsten des Vaters und der Mutter (verheiratet, gemeinsam sorgeberechtigt) wurde ein lebenslanger Nießbrauch bewilligt. Der Notar hat die notarielle Urkunde für die Eintragungen im Grundbuch an das Grundbuchamt weitergegeben. Das Grundbuchamt hat die Eintragung der beiden Kinder als Eigentümer der Immobilie davon abhängig gemacht, dass für jedes Kind ein Ergänzungspfleger zu bestellen sei, der die notarielle Einigung über den Eigentumsübergang (Auflassung) zunächst zu genehmigen habe.

Das zuständige Beschwerdegericht war der Auffassung, das Grundbuch habe die Genehmigung der Auflassung durch einen Ergänzungspfleger zu Recht verlangt.

 

Der BGH sieht dies anders und führt wie folgt aus:

Richtig ist, dass im Falle der Auflassung eines Grundstücks die entsprechende Eintragung in das Grundbuch gemäß § 20 GBO nur erfolgen darf, wenn die erforderliche Einigung des Berechtigten (hier der beiden Kinder) und des anderen Vertragsteils wirksam erklärt ist. Im Falle der Vertretung eines Vertragsteils – wie hier (gesetzliche Vertretung minderjähriger Kinder) – hat das Grundbuchamt auch die Vertretungsmacht zu prüfen. Nach § 1629 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Halbsatz 1 BGB sind die Eltern als Sorgeberechtigte der beiden Kinder zwar berechtigt, Willenserklärungen in deren Namen als ihre gesetzlichen Vertreter abzugeben. Da der Vater die Auflassung aber einerseits als Veräußerer im eigenen Namen und zugleich als Vertreter der beiden Kinder als Erwerber erklärte, ist er nach § 1629 Abs. 2 Satz 1, § 1824 Abs. 2 in Verbindung mit § 181 BGB (Insichgeschäft) grundsätzlich von der Vertretung ausgeschlossen. Für die Mutter ergibt sich der grundsätzliche Vertretungsausschluss ebenfalls aus § 1629 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 1824 Abs. 1 Nr 1 BGB, wonach ein Elternteil eines minderjährigen Kindes bei einem Rechtsgeschäft zwischen seinem Ehegatten einerseits und dem Kind andererseits grundsätzlich nicht vertreten kann. Es ist also zutreffend, dass die Wirksamkeit der Verfügung des Vaters grundsätzlich die Genehmigung durch einen Ergänzungspfleger voraussetzt (vergleiche § 1809 Abs. 1 BGB); mit einer solchen Genehmigung würde die vertragliche Einigung zwischen Vater und minderjährigen Kindern rückwirkend wirksam.

Zutreffend legt das Beschwerdegericht seiner Beurteilung § 1824 und § 1809 Abs. 1 BGB zugrunde, auch wenn diese Vorschriften durch das Gesetz zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts neu gefasst wurden und erst am 1.1.2023 in Kraft getreten sind, während die notarielle Einigung im vorliegenden Fall bereits vor diesem Zeitpunkt erklärt wurde. Da es nämlich an einer Übergangsvorschrift fehlt und es sich im Hinblick auf die noch ausstehende Eintragung im Grundbuch nicht um einen abgeschlossenen Sachverhalt handelt, finden die neuen Vorschriften Anwendung.

Das Beschwerdegericht verkennt auch nicht, dass der sich aus § 1824 BGB ergebende Vertretungsausschluss der Eltern nicht eingreifen würde, wenn sich der Erwerb des Miteigentums am Grundstück für die Kinder als »lediglich vorteilhaft« darstellte. Diese Ausnahme ist zwar in § 1824 BGB nicht aufgeführt, entspricht aber der ständigen Rechtsprechung des BGH im Sinne des § 107 BGB zur Vorgängernorm des § 1795 BGB alte Fassung. Die Ausnahme beruht auf der Überlegung, dass für ein Vertretungsverbot kein Bedürfnis besteht, wenn nach der Natur des Rechtsgeschäfts eine Gefährdung der Vermögensinteressen des vertretenen Kindes nicht nur im konkreten Einzelfall, sondern abstrakt-generell ausgeschlossen ist. Hieran wollte der Gesetzgeber durch die erwähnte Reform nichts ändern.

Die weiteren Überlegungen des Beschwerdegerichts halten einer rechtlichen Überprüfung aber nicht stand:

Der Erwerb eines Miteigentumsanteils an einem nicht vermieteten oder verpachteten Grundstück durch einen minderjährigen ist lediglich rechtlich vorteilhaft im Sinne des § 107 BGB. Möchte ein Elternteil ein Miteigentumsanteil an einem ihm gehörenden – weder vermieteten noch verpachteten – Grundstück auf sein minderjähriges Kind übertragen, muss die von den Eltern des Minderjährigen in dessen Namen erklärte Auflassung (Einigung über die Eigentumsübertragung) nicht durch einen Ergänzungspfleger genehmigt werden.

Nach der Rechtsprechung des BGH-Senats vom 25.11.2004 ist die Übereignung eines Grundstücks an einen Minderjährigen bei der gebotenen isolierten Betrachtung der Auflassung grundsätzlich lediglich vorteilhaft. Dieser Entscheidung lag ein Sachverhalt zugrunde, in dem eine Mutter an ihre beiden minderjährigen Kinder einen jeweils hälftigen Miteigentumsanteil an einem ihr gehörenden Grundstück übertragen wollte. In den Gründen seiner Entscheidung ist der Senat auf den Erwerb eines Miteigentumsanteils nicht weiter eingegangen, sondern hat sich allgemein – ohne zwischen dem Erwerb eines Miteigentumsanteils und dem des Alleineigentums an einem Grundstück zu differenzieren – unter anderem mit der Frage befasst, ob der Umstand, dass der Grundstückseigentümer für die Erfüllung seiner auf öffentlichem Recht beruhenden Abgabeverpflichtungen nicht nur dinglich, sondern auch persönlich haftet, ein Nachteil im Sinne des § 107 BGB zu begründen vermag. Dies hat er unter Hinweis auf den Schutzzweck der Vorschrift verneint, weil die Tragung der laufenden öffentlichen Grundstückslasten nach ihrer abstrakten Natur typischerweise keine Gefährdung des Minderjährigen mit sich bringt und ihretwegen ein auf das Wohl des Minderjährigen bedachter gesetzlicher Vertreter oder Ergänzungspfleger seine Zustimmung zu einem Grundstückserwerb nicht verweigern würde. Es wäre reiner Formalismus, würde man die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts von der Erteilung einer Genehmigung abhängig machen, obwohl das Ergebnis der dabei vorzunehmenden Prüfung von vornherein feststünde.

Anders ist es laut der Rechtsprechung des BGH dann, wenn das Grundstück vermietet oder verpachtet ist. Der Erwerb eines solchen Grundstücks stellt sich für den Minderjährigen nicht als lediglich vorteilhaft dar, weil der Erwerb gemäß § 566 (Mietvertrag), § 581 Abs. 2 (Pachtvertrag) und § 593 b BGB (Landpachtvertrag) beim Eintritt des Erwerbers in den Miet- bzw. Pachtvertrag auf Vermieter- bzw. Verpächterseite führt. Die aus dem Eintritt in den Miet- oder Pachtverhältnis resultierenden Pflichten sind ihrem Umfang nach nicht begrenzt. Ob die von ihnen ausgehenden Gefahren für das Vermögen des Minderjährigen im Hinblick auf die mit dem Grundstückserwerb verbundenen Vorteile hingenommen werden können, lässt sich deshalb nicht abstrakt beurteilen, sondern fordert eine entsprechende einzelfallbezogene Prüfung durch den gesetzlichen Vertreter bzw. einen Ergänzungspfleger. Diese Überlegungen gelten in gleicher Weise dann, wenn der Minderjährige nicht das Alleineigentum, sondern lediglich einen Miteigentumsanteil an einem vermieteten oder verpachteten Grundstück erwerben soll.

Ebenso liegt es beim Erwerb einer Eigentumswohnung. Hierdurch wird der minderjährige Mitglied einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Damit treffen ihn kraft Gesetzes persönliche Verpflichtungen, die ein ganz erhebliches Ausmaß annehmen können und der Annahme eines lediglich rechtlichen Vorteils im Sinne von § 107 BGB entgegenstehen. […]

 

Festhalten an der bisherigen Rechtsprechung

Der Senat hält an seiner Rechtsprechung fest, wonach der Erwerb eines Miteigentumsanteils an einem nicht vermieteten oder verpachteten Grundstück ebenso wie der Erwerb des Alleineigentums an einem solchen Grundstück lediglich rechtlich vorteilhaft im Sinne von § 107 BGB ist. Wichtig ist, dass zwischen dem Erwerb des Alleineigentums an einem Grundstück und dem Erwerb eines Miteigentumsanteils Unterschiede bestehen. Überträgt der Eigentümer sein Grundstück an zwei Erwerber zu Miteigentum – wie hier die beiden Kinder –, entsteht zwischen den Erwerbern eine Bruchteilsgemeinschaft gemäß § 741 BGB, aus der persönliche Verpflichtungen erwachsen können. So ist insbesondere nach § 748 BGB jeder Teilhaber den anderen Teilhabern gegenüber verpflichtet, die Lasten des gemeinschaftlichen Gegenstands sowie die Kosten der Erhaltung, der Verwaltung und einer gemeinschaftlichen Benutzung nach dem Verhältnis seines Anteils zu tragen. Diese Umstände rechtfertigen es jedoch nicht, die Übereignung eines Miteigentumsanteils an einen minderjährigen anders als die Übertragung von Alleineigentum als rechtlich nachteilig anzusehen. […]

 

Ganz anders stellt sich die Sachlage bei dem Erwerb einer Eigentumswohnung durch einen Minderjährigen dar. Ein solcher Erwerb ist im Hinblick auf mögliche Gefährdungen des Vermögens des Minderjährigen mit dem Erwerb eines Miteigentumsanteils an einem Grundstück oder des Alleineigentums nicht vergleichbar. Die Mitgliedschaft an einer GdWE (vormals WEG) ist mit erheblichen persönlichen Verpflichtungen verbunden, die bereits unmittelbar mit dem Eigentumserwerb eintreten. Denn als Mitglied der GdWE wäre der Minderjährige nicht nur verpflichtet, sich entsprechend seinem Anteil an den Lasten des gemeinschaftlichen Eigentums zu beteiligen. Er hätte vielmehr anteilig auch die Kosten der Instandhaltung, Instandsetzung, sonstigen Verwaltung und eines gemeinschaftlichen Gebrauchs des gemeinschaftlichen Eigentums zu tragen. […]

 

Hinzu kommt, dass bei der gebotenen typisierenden Betrachtungsweise das Schutzbedürfnis des Minderjährigen beim Erwerb eines Miteigentumsanteils an einem Grundstück regelmäßig erheblich geringer ist als beim Erwerb einer Eigentumswohnung. Eigentumsanteile werden typischerweise innerhalb einer Familie – etwa im Wege der vorweggenommenen Erbfolge – übertragen, sodass eine Inanspruchnahme zwischen den Miteigentümern in der Regel fernliegend ist. Beim Erwerb einer Eigentumswohnung und dem Eintritt in eine GdWE ist dies im Hinblick auf eine unter Umständen hohe Anzahl von Wohnungseigentümern und die Gefahr von den minderjährigen belastenden Mehrheitsentscheidungen anders. […]

 

 

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