Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg hat in seiner Entscheidung vom 15.12.2021 (2 Sa 11/12) entschieden, dass die Erben eines Arbeitnehmers infolge dessen Todes den Anspruch auf eine vereinbarte Abfindung verlieren, wenn der Arbeitnehmer die von ihm geschuldete Leistung bereits im Zeitpunkt des Zustandekommens des Aufhebungsvertrages aufgrund seines Todes nicht mehr erbringen kann.

Sachverhalt

 

Die Parteien streiten über einen im Wege der Erbfolge übergegangenen Abfindungsanspruch aus einem Aufhebungsvertrag.

 

Der Ehemann der Klägerin, Herr K., war bei der Beklagten als Projektleiter beschäftigt. Herr K. und die Beklagte verhandelten Ende 2019 über ihre Rechtsanwälte einen Aufhebungsvertrag. Der Vertreter der Beklagten übersandte dem Klägervertreter mit E-Mail vom 23.12.2019 eine neue Fassung eines Vertragsentwurfs, der die vom Klägervertreter zuvor gewünschte Regelung aufgenommen hatte: „Des Weiteren bitte ich um Verständnis, dass in Anbetracht der Erkrankung unseres Auftraggebers mit aufgenommen werden sollte, dass der Abfindungsanspruch bereits jetzt entstanden und vererblich ist“. Mit Schreiben vom 16.01.2020 versandte der Klägervertreter dem Beklagtenvertreter die von Herrn K. unterzeichneten Exemplare des Aufhebungsvertrages. Am 25.01.2020 verstarb Herr K.. Der Geschäftsführer der Beklagten unterschrieb den Aufhebungsvertrag spätestens am 27.01.2020; das Original ging dem Klägervertreter am 31.01.2020 zu. Der Aufhebungsvertrag enthält folgende für den vorliegenden Rechtsstreit maßgebende Bestimmungen:

 

  1. Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbaren hiermit, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis krankheitsbedingt und auf Veranlassung des Arbeitgebers mit Ablauf des 30.06.2020 enden wird.

 

  1. Der Arbeitgeber bezahlt an den Arbeitnehmer für den Verlust des Arbeitsplatzes eine einmalige Abfindung im Sinne der §§ 9, 10 KSchG in Höhe von 34.500,00 EUR brutto, zur Zahlung fällig am 30.06.2020. Der Anspruch auf die Abfindung ist bereits mit Abschluss der vorliegenden Vereinbarung entstanden und damit vererblich.

 

Die als Alleinerbin eingesetzte Ehefrau des verstorbenen Arbeitnehmers forderte von der Beklagten die Bezahlung der im Aufhebungsvertrag vereinbarten Abfindung.  Sie war der Ansicht, dass der Tod Ihres Ehemannes auf die Wirksamkeit des Aufhebungsvertrages keine Auswirkungen habe.

 

Die Beklagte war hingegen der Auffassung, dass der Aufhebungsvertrag aufgrund des vorzeitigen Todes des Arbeitnehmers nicht wirksam zustande gekommen sei, da ein diesbezüglicher mutmaßlicher Wille des Erblassers gemäß § 153 BGB zweifelhaft sei und im Übrigen auch von einer anfänglichen Unmöglichkeit auszugehen sei, nachdem Herr K. vor Abschluss des Aufhebungsvertrags verstorben sei und somit die beabsichtigte Auflösung des Arbeitsverhältnisses „ins Leere“ gehe. Zudem liege ein Fall des Wegfalls der Geschäftsgrundlage vor.

 

Das Arbeitsgericht Ulm gab in erster Instanz der klagenden Witwe Recht. Hiergegen legte die Beklagte Berufung ein.

 

Entscheidung

 

Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg gab in zweiter Instanz der beklagten Arbeitgeberin Recht und wies den Anspruch der Witwe auf Zahlung der Abfindung zurück.

 

Zwar gab es der Klägerin dahingehend Recht, dass ein Aufhebungsvertrag, in dem sich der Arbeitnehmer zur Aufgabe des Arbeitsplatzes und der Arbeitgeber als Gegenleistung zur Zahlung einer Abfindung verpflichten, ungeachtet des in der Vertragsabschlussphase eingetretenen Todes des Arbeitnehmers auch dann noch zustande komme, wenn der Arbeitgeber das Angebot des Arbeitnehmers vor dessen Tod bereits erhalten hat, es aber erst nach dem Tod des Arbeitnehmers annimmt. Das gelte auch dann, wenn nach dem Inhalt des Aufhebungsvertrags das Arbeitsverhältnis erst zu einem zukünftigen Zeitpunkt hätte enden sollen.

 

Allerdings verlieren die Erben des Arbeitnehmers infolge dessen Todes den Anspruch auf die vereinbarte Abfindung, weil der Arbeitnehmer bereits zum Zeitpunkt des Zustandekommens des Aufhebungsvertrags die von ihm geschuldete Leistung (Aufgabe des Arbeitsplatzes) nicht mehr erbringen konnte und infolgedessen auch der Anspruch auf die Gegenleistung gemäß § 326 Abs. 1 S. 1 BGB entfällt.

 

 

 

Praxishinweis

Das Berufungsgericht weist in seiner Entscheidung explizit darauf hin, dass die vorliegende Fallkonstellation von dem Sachverhalt zu unterscheiden ist, in der ein Arbeitnehmer nach wirksamem Zustandekommen des Aufhebungsvertrages vor dem vereinbarten Beendigungszeitpunkt verstirbt. Wird in einem Aufhebungsvertrag dem Arbeitnehmer die Zahlung einer Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes zugesagt, ist durch Auslegung zu ermitteln, wann diese Leistung fällig sein soll. Wird der Vertrag vor dem vereinbarten Ende des Arbeitsverhältnisses geschlossen, wird die Auslegung zumeist ergeben, dass die Fälligkeit der Abfindung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses eintreten soll (BAG 15. Juli 2004 – 2 AZR 630/03 – juris Rn. 20 ff.). Im vorliegenden Fall haben die Parteien des Aufhebungsvertrages allerdings die klare Regelung aufgenommen, dass die Abfindung mit Abschluss des Aufhebungsvertrages entstanden und damit vererblich sein soll. Wäre Herr K. nach Abschluss des Aufhebungsvertrages am 31. Januar 2020 verstorben, wäre die Beklagte zur Zahlung der Abfindung an die Klägerin verpflichtet gewesen.

 

Bei Vereinbarung einer Abfindung sollten Beschäftigte daher unbedingt darauf achten, dass im Aufhebungsvertrag klar geregelt ist, dass der Abfindungsanspruch bereits mit Abschluss der Vereinbarung entstanden und vererblich ist.