Der Bundesgerichtshof hat die Verurteilung durch das Landgericht Leipzig einer Oberstaatsanwältin (Leiterin einer Abteilung für die Bekämpfung der organisierten Kriminalität und von Betäubungsmittelstraftaten) wegen falscher uneidliche Aussage zu einer Geldstrafe bestätigt. Die Entscheidung dürfte auch insoweit von Interesse sein, als sie den Umfang des Gegenstands der Vernehmung vor Gericht klarstellt und deutlich macht, dass ein Zeuge auch Tatsachen mitteilen muss zu denen er nicht ausdrücklich gefragt wird, die aber zum Gegenstand der Vernehmung gehören.

 

Redaktionelle Leitsätze (BGH Beschl. v. 23.11.2020 – 5 StR 172/20, BeckRS 2020, 42382, beck-online):

1. Ein Zeuge verletzt seine Wahrheitspflicht, wenn er Tatsachen, die für den Gegenstand der Vernehmung erheblich sind, falsch wiedergibt oder – sofern sie mit der Beweisfrage für ihn erkennbar im Zusammenhang stehen – verschweigt. Eine Aussage im Sinne des § 153 StGB umfasst alle zum Zeitpunkt der Äußerung potentiell erheblichen Tatsachen, die mit der Tat im Sinne des § 264 StPO zusammenhängen oder zusammenhängen können. (Rn. 5)

2. Anders als im Zivilprozess existiert im Strafprozess eine Begrenzung des Umfangs der Zeugnispflicht auf die im Beweisbeschluss in bestimmter Form bezeichnete Beweisfrage nicht. Gegenstand der Vernehmung zur Sache ist hier allgemein der „Gegenstand der Untersuchung“ nach § 69 Abs. 1 StPO, der dem Zeugen vor seiner Vernehmung zu bezeichnen ist. (Rn. 5)

3. Eine zum Gegenstand der Vernehmung gehörige, für die Entscheidung erhebliche Tatsache muss mitgeteilt werden, selbst wenn der Zeuge nicht ausdrücklich danach gefragt wird. Er hat von sich aus alles anzugeben, was er in diesem Zusammenhang als wesentlich erkennt. (Rn. 5)

 

Aus den Gründen:

Nach den Feststellungen und Wertungen hatte die Angeklagte als Oberstaatsanwältin Ermittlungen gegen eine im Raum Leipzig aktive Tätergruppe wegen Betäubungsmitteldelikten geleitet und im Frühjahr 2015 beim Landgericht Leipzig Anklage gegen zwei Täter erhoben. Diesen wurde u.a. die Übernahme einer großen Menge Methamphetamin zur Last gelegt. Insoweit stützte sich der Tatnachweis ausschließlich auf Angaben eines Belastungszeugen, der am 4. Februar 2015 durch Beamte des BKA vernommen worden war. Zu den Umständen des Zustandekommens und des Ablaufs dieser Vernehmung wurde die Angeklagte in der Hauptverhandlung des Landgerichts Leipzig am 18. Dezember 2015 als Zeugin vernommen. Hierbei erklärte sie –auch auf ausdrückliche Nachfrage des Vorsitzenden, wie es zu der Vernehmung durch das BKA gekommen sei –, mit der Vernehmung „nichts zu tun“ gehabt zu haben. Tatsächlich hatte jedoch unmittelbar vor der polizeilichen Vernehmung am 4. Februar 2015 ein Vorgespräch von ca. 45 Minuten Dauer unter Beteiligung der Angeklagten, des Belastungszeugen, seines Verteidigers, Vernehmungsbeamten des BKA und weiterer Polizisten stattgefunden. Obwohl die Angeklagte wusste, dass ihre Angaben für die Sachverhaltsaufklärung im Verfahren der 8. Strafkammer hinsichtlich Aussagemotivation und Glaubwürdigkeit des Belastungszeugenvon Bedeutung waren, erwähnte sie das Vorgespräch nicht.

 

Die Entscheidung kann im Volltext hier abgerufen werden.

 

Die Strafverteidiger Jens JanssenJan-Georg Wennekers und Dr. Jan-Carl Janssen sind für Sie unter 0761-38792-12 erreichbar.